Giftpflanzen
Mit giftigen Schönheiten umgehen
Text: Inga Dora Schwarzer | Foto (Header): © lochstampfer – stock.adobe.com
Sie blühen in den schönsten Farben, duften aromatisch oder tragen leuchtende Beeren – doch der schöne Schein vieler Giftpflanzen trügt: Eine einfache Berührung oder der Verzehr von Pflanzenteilen können der Gesundheit stark schaden. Welche Risiken von Eibe, Stechpalme, Bärenklau und Co. ausgehen und wie ein gefahrloser Umgang damit gelingt, erklärt ein Biologe.
Auszug aus:
DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe Mai 2020
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Giftige Pflanzen begegnen uns täglich und zu jeder Jahreszeit in Wäldern, Gärten und Grünanlagen. Nicht verwunderlich, machen sie doch etwa die Hälfte unserer hiesigen Pflanzenwelt aus. „Sie setzen ihr Gift gezielt ein, um sich gegen Tiere zu wehren, die sie fressen wollen. Da sie nicht weglaufen
können, versuchen sie, sich auf diesem Wege vor Fressfeinden zu schützen.
Auch Dornen oder Behaarung nutzen sie als wirksame Schutzmaßnahme vor Verbiss“, erklärt Dr. Thomas Hövelmann, Sprecher des NABU Bundesfachausschusses Botanik.
Hübsches Äußeres – giftiges Inneres
Nicht selten sind es die ganz besonders attraktiven Pflanzen, die Gift in sich tragen: So macht der Goldregen seinem Namen alle Ehre. Mit seinen strahlend gelben Blüten gleicht er im Frühjahr und Sommer einem goldenen Regenschauer, doch fast alle Pflanzenteile enthalten giftige Chinolizin-Alkaloide. Der Rote Fingerhut ist ebenfalls eine unserer auffallendsten Pflanzen. Allein aufgrund seiner Größe und der prächtigen violetten Blüten schindet er mächtig Eindruck. Doch schon zwei bis drei verzehrte getrocknete Blätter können aufgrund der enthaltenen Digitaloide für einen Erwachsenen tödlich sein. Das hübsche Aussehen der Pflanzen ist aber meist Zufall, sagt der Experte. Sie wollen mit ihren bunten Blüten lediglich Insekten anlocken. Nur bei einigen wenigen Arten steckt System dahinter, wie z. B. bei der Stechpalme. „Sie lockt mit ihren auffallend rot leuchtenden Früchten Vögel an. Diese fressen die für sie ungiftigen Beeren, welche durch ihren Verdauungstrakt wandern und dann an einem anderen Ort wieder ausgeschieden werden. So werden die Früchte verbreitet und weit weg von der Elternpflanze transportiert. Für Menschen und andere Tiere sind die Beeren der Stechpalme jedoch stark giftig. Damit verhindert die Pflanze, dass die Falschen ihre Früchte essen“, erläutert der Diplom-Biologe.
Verschiedene Giftmengen
Ein besonders interessantes Exemplar ist die Eibe mit ihren roten Beeren. „Der einzige Teil, der nicht gefährlich ist, ist das Fruchtfleisch. Die Kerne wiederum sind tödlich giftig“, so Dr. Hövelmann. Weiter zählt er die Tollkirsche, die Engelstrompete, den Seidelbast, den Blauregen, den Lebensbaum (Thuja), und den Buchsbaum zu den gefährlichsten Pflanzen unserer Flora. In der Regel enthalten nicht nur die Früchte, sondern alle Pflanzenteile Giftstoffe. Wie hoch ihr Wirkstoffgehalt ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. vom Standort, vom Klima und Wetter, vom Alter und von der Vegetationsperiode. Auch die verschiedenen Organe einer Pflanze (Wurzel, Stängel, Blätter, Blüten, Früchte) können unterschiedlich hohe Mengen enthalten.
Die Dosis macht das Gift
Generell gilt: Die Dosis macht das Gift. „Die Menge an Pflanzenmaterial und enthaltenem Gift, das der Mensch aufnimmt, ist relevant für die Wirkung. Es gibt jedoch auch Arten, bei denen bereits eine einzige verzehrte Beere schlimme Folgen haben kann“, weiß der Experte. Eine entscheidende Rolle bei einer Vergiftung spielt das Körpergewicht des Menschen. „Bei einem 100 kg schweren Mann verdünnt sich das Gift im Körper schneller als bei einer 60 kg schweren Frau. Kinder sind aufgrund ihres geringen Gewichts stärker gefährdet als Erwachsene. Bei einem Kind können bereits zwei Beeren gefährlich werden, bei einem erwachsenen Mann vielleicht erst zehn“, so der Experte. Auch Allergiker, Personen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem tragen ein erhöhtes Risiko.
Symptome einer Vergiftung
Nach dem Verzehr von giftigen Pflanzenteilen kommt es zu unterschiedlichen Vergiftungssymptomen: Zunächst sind Übelkeit, Erbrechen, Magenkrämpfe und Durchfall möglich. Damit versucht der Körper, die giftigen Inhaltsstoffe so schnell wie möglich wieder auszuscheiden. Im schlimmsten Fall sind Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle und Kreislaufversagen die Folge. Daher sollte man nicht essen, was man nicht kennt, rät der Diplom- Biologe.
Gefährliche Doppelgänger
Vorsicht ist besonders bei giftigen Doppelgängern geboten. „Bärlauch wird häufig mit Maiglöckchen verwechselt. Ein vermeintliches Pesto aus giftigen Maiglöckchen kann aber sehr gefährlich sein“, warnt der Experte. Eine Riechprobe bringt Gewissheit: Bärlauch weist einen knoblauchartigen Geruch auf. Auch der Wiesenkerbel, der wild in Grünanlagen, an Wiesen und Wegen wächst, hat einen gesundheitsschädlichen Doppelgänger. Er sieht dem Gefleckten Schierling sehr ähnlich. Beide seien selbst für Botaniker, die sich gut auskennen würden, schwer auseinanderzuhalten, sagt er.
Hautkontakt meiden
Das bloße Anfassen ist u. a. beim Bärenklau ein absolutes No-Go, denn sein Stängelsaft greift den natürlichen UV-Schutz der Haut an. In Verbindung mit Sonneneinstrahlung kann bereits eine einfache Berührung zu Hautreizung, Juckreiz und Verbrennungen 1. bis 2. Grades führen. „Sollen große Mengen Bärenklau entfernt werden, muss ein Ganzkörperschutz getragen werden“, empfiehlt daher der Diplom-Biologe. Im Umgang mit weniger giftigen Pflanzen genüge das Tragen von Gartenhandschuhen und langärmeliger Kleidung. Nur auf dem Kompost spielt der Giftgehalt keine Rolle. „Der Boden wird dadurch nicht giftig. Da muss man keinen Unterschied zu anderen Arten machen“, weiß Dr. Hövelmann. Denn bei den pflanzeneigenen Giften handelt es sich um organische chemische Verbindungen, die während der Rotte vollständig zersetzt werden.
Giftige Pflanzen entfernen
Eine Beseitigung von Giftpflanzen empfiehlt der Experte vor allem in der Nähe von Kindern. „Im direkten Umkreis von beispielsweise Spielplätzen, Freibädern oder Kindertagesstätten raten wir dazu, auf gefährliche Pflanzen zu verzichten. Kleinkindern kann man die Giftwirkung von Pflanzen noch nicht wirklich erklären. Leuchtende Beeren oder farbige Blüten sind für sie verlockend, und sie nehmen sie schnell in den Mund. Allerdings warnen wir vom Naturschutz davor, Giftpflanzen generell zu verteufeln. Da es sich um heimische Pflanzen handelt, haben sie genauso ihre Daseinsberechtigung wie ungiftige Exemplare“, sagt er. Kleine Helfer: Insekten Eine Vielzahl von Insektenarten ist spezialisiert auf diese Giftpflanzen. Wenn man sie in der freien Landschaft komplett ausrotten würde, würden viele Tierarten, die von ihnen abhängig sind, ebenfalls verschwinden. „Das wäre ein massiver Eingriff ins Ökosystem“, gibt der Diplom- Biologe zu bedenken und nennt ein Beispiel für diese Symbiose: „Die Raupen des Blutbären, einem hübsch gefärbten Nachtfalter, leben ganz gezielt nur am Jakobskreuzkraut. Sie fressen seine Blätter und Blüten und nehmen auch sein Gift in sich auf. Damit schützen sie sich vor Fressfeinden, weil sie dadurch selber giftig werden. Sie brauchen diese Pflanze. Ohne sie würden sie aussterben.“ Dr. Hövelmann plädiert deshalb für Aufklärung und mehr Wissen über unsere heimischen Giftpflanzen. „Wir Menschen müssen mit diesem Schutzmechanismus der Pflanzen leben lernen“, so der Experte abschließend. Wer Garten- und Grünanlagen pflegt, sollte also gut informiert an die Arbeit gehen.
Giftige Sträucher und Bäume
Pfaffenhütchen:
Der Strauch ist reich verzweigt, sparrig, und auch als bis zu 6 m hoher Baum zu finden. Seine Blätter sind eiförmig bis lanzettlich, 3 bis 8 cm lang, gesägt, in der Herbstfärbung orange bis scharlachrot. Beliebt ist er aufgrund seiner rot gefärbten Früchte. Alle Teile sind giftig. Nach der Aufnahme können Erbrechen, Magenkrämpfe und Durchfall auftreten, Kreislaufstörungen sind möglich.
Eibe:
Der immergrüne etwa 10 bis 12 m hohe Nadelbaum ist häufig vom Grunde an mehrstämmig. Seine Blätter sind bis zu 3 cm lang, zugespitzt, oberseits dunkelgrün, etwas glänzend. Die Früchte sind rot. Nadeln und die zerbissenen Samen der Früchte sind giftig. Nach dem Verzehr kommt es zu Erbrechen und Durchfall, in schweren Fällen zu Bewusstlosigkeit und Herzrasen. Todesfolge möglich.
Kirschlorbeer:
Der immergrüne, bis zu 6 m hohe Strauch wächst in die Breite. Seine Blätter sind derb lederig, glänzend grün und länglich bis verkehrt eiförmig sowie an den Rändern nach oben gebogen. Er trägt schwarze bis dunkelpurpurne Früchte. Alle Teile sind giftig. Nach dem Verzehr sind Bauchschmerzen und Erbrechen zu erwarten. Zerkaute Samen können eine verstärkte Atmung hervorrufen.
Goldregen:
Der mehrstämmige Baum wird bis etwa 7 m hoch. Er trägt längliche, mit kurzer Stachelspitze versehene Blätter. Die Blüten sind gelb. Die Früchte sind pergamentartig durchscheinend und seidig behaart. Alle Teile sind toxisch. Nach dem Verzehr kann es zu Erbrechen, Schwitzen und Blässe kommen, in schweren Fällen zu Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen und Kreislaufversagen.
Thuja/Lebensbaum:
Der bis zu 15 m hohe Baum mit schlankem Wuchs hat eine dichte Krone und einen geraden Stamm. An den Endtrieben sitzen kugelige Öldrüsen, die beim Zerreiben aromatisch duften. Ihr Öl kann Hautentzündungen verursachen. Die Früchte bestehen aus aufrecht stehenden Zapfen. Alle Teile sind toxisch. Nach dem Verzehr können Erbrechen, Durchfall und Magenschmerzen folgen. In schweren Fällen treten Krampfanfälle und Nierenschäden auf.
Giftige Blumen
Maiglöckchen:
Das Maiglöckchen wird bis zu 25 cm hoch. Im Frühjahr sprießen aus dem Wurzelstock lange Blätter. Diese sind paarweise zusammengewachsen, zwischen ihnen sitzt der Blütenstängel, der glockenförmige weiße Blüten trägt. Aus den Blüten bilden sich rote Beeren. Alle Teile der Pflanze sind giftig. Nach dem Verzehr kann es zu Erbrechen und Durchfall kommen.
Roter Fingerhut:
Der Rote Fingerhut wird zwischen 80 und etwa 150 cm hoch. Das Laub hat eine flaumige, grüne Oberseite, an der Unterseite ist es grau und filzig behaart. In schönem Rosa zeigen sich kleine Glocken. Aus den Blüten bilden sich Kapselfrüchte. Alle Teile sind giftig. Nach dem Verzehr kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Leibschmerzen kommen.
Blauer und Gelber Eisenhut:
Die Pflanze wird bis zu 160 cm groß. Sie trägt dunkelgrüne Blätter und violett-blaue Blüten. Alle Teile sind stark giftig. Nach dem Verzehr kann es zu Brennen und Kribbeln im Mund und in den Extremitäten kommen sowie zu Empfindungslosigkeit der Haut, weiterhin zu heftigem Erbrechen und Durchfällen. In schweren Fällen können u. a. Herzrhythmusstörungen und Lähmungen auftreten. Todesfolge ist möglich.
Bärenklau:
Die Staude kann auf bis zu 4 m Höhe heranwachsen. Die Blütenstände sind weiß bis rosa gefärbt und erreichen einen Durchmesser von bis zu 50 cm. Giftig ist vor allem der Stängelsaft, der den UV-Schutz der Haut außer Kraft setzt. Auf eine Berührung reagiert die Haut bei anschließender Sonneneinstrahlung mit einer schmerzhaften Hautrötung, Juckreiz und Blasenbildung wie bei Verbrennungen.
Herbstzeitlose:
Sie erreicht eine Höhe von bis zu 25 cm. Im Herbst erscheinen die rosa-lila gefärbten Blüten. Während der Blütezeit sind die Pflanzen blattlos. Zwischen Mai und Juni bilden Herbstzeitlosen grüne, später braune Kapselfrüchte. Alle Pflanzenteile sind giftig. Nach dem Verzehr kann es u. a. zu Schluckbeschwerden, Erbrechen und Durchfall kommen, in schweren Fällen folgen Herzrasen und Lähmungen. Todesfolge durch Atemlähmung ist möglich.
Stechpalme:
Der immergrüne Strauch oder kleine Baum wird meist zwischen 1 und 5 m groß, manchmal auch höher. Seine Blüten sind unscheinbar weiß. Die kugeligen Steinfrüchte werden etwa erbsengroß. Sie sind scharlachrot, glänzend und besonders giftig. Nach dem Essen mehrerer Beeren können Erbrechen, Leibschmerzen und Durchfall auftreten.
Tollkirsche:
Der Strauch wird bis zu 2 m hoch. Die Blätter und Stängel sind flaumig behaart. Die violetten Blüten werden etwa 3 cm groß. Die Beeren sind kirschgroß, schwarz und glänzend. Alle Teile sind stark giftig. Nach dem Verzehr kann es zu Trockenheit der Schleimhäute, Rötung des Gesichts und erhöhtem Puls kommen, in schweren Fällen sind u. a. Krämpfe, Gleichgewichts- und Sehstörungen sowie Todesfolge möglich.