Aus der Praxis
Damit das Raumklima stimmt
Text: Torsten Seidel | Foto (Header): © Jörg Rautenberg – Fotolia.com
Die Lüftungstechnik ist ein sehr umfangreiches Themengebiet. Raumlufttechnische Anlagen zur kontrollierten Wohnraumbe- und -entlüftung sollten heute, in Zeiten von hochdichten Gebäudehüllen, Kyoto-Protokollen zum Klimaschutz und Energieeinsparverordnungen (EnEV) eigentlich zum technischen Standard gehören. Doch wozu brauchen wir solche Anlagen überhaupt?
Auszug aus:
DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe Juli 2017
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In unseren modernen, super isolierten, winddichten und Blower-Door-Test geprüften Gebäuden diffundiert die Luft nicht mehr durch Tür- und Fensterspalte oder Risse im Mauerwerk nach außen. Da wir Menschen aber durch Atmen, Schwitzen etc. die Luft im Gebäude belasten und verbrauchen, müssen wir mithilfe von Haustechnik für einen angemessenen Luftwechsel im Gebäude sorgen.
Falscher Luftwechsel im Raum
Wenn wir von einem schlechten Raumklima sprechen, meinen wir nicht etwa den Besuch der Schwiegermutter, sondern dann stimmt der Luftwechsel im Raum nicht. Ein erwachsener Mensch schwitzt und atmet pro Nacht ca. 500 ml Wasser aus. Dieses Wasser ist in der Raumluft gebunden und kann an Fenstern, Fensterlaibungen oder anderen kalten Bauteilen kondensieren, wenn nicht gelüftet wird. Die Folge wäre Schimmelbildung.
In einem normalen deutschen Schlafzimmer käme also ca. ein Liter Flüssigkeit pro Nacht zusammen. Und das jede Nacht! Ihr könnt ja mal eine Woche lang jeden Abend einen Liter Wasser auf den Schlafzimmerboden kippen, um zu sehen, was euer Haus so leistet und wie viel ein Liter auf dem Fußboden ist. Verbrauchte Luft enthält aber auch CO2 und üble Gerüche, genauso wie Chemikalienbelastungen aus Baustoffen, Möbeln, Elektrogeräten und dergleichen.
Normgröße für Raumluftbelastung
Nun leben wir in Deutschland, das ja bekannt ist für seine Normen und Regeln. Was wäre Deutschland, wenn es nicht auch eine Normgröße für Raumluftbelastung gäbe, welche die Gerüche, die vom Menschen ausgehen, beschreibt. Die Maßeinheit dafür nennt sich Olf. Kein Witz! Damit ist nicht der Geruch einer ostfriesischen Land Frau gemeint, sondern die Abkürzung für Olfaction = Geruchsabgabe.
Ein Olf ist der Geruch einer Person bei sitzender Tätigkeit und einer Wärmeabgabe des Körpers von ca. 120 W, wenn diese Person täglich ihre Klamotten wechselt (alle) und mindestens sieben Mal in zehn Tagen duscht. Der Luftwechsel um diese Person sollte mit 10 l/s bemessen sein. Die empfundene Luftqualität wird in Dezipol angegeben.
Ein anschauliches Beispiel
Wenn ihr jetzt also Besuch von eurer Nachbarin bekommt, die Gute hat etwas Übergewicht und ist bei 30 °C und Sonnenschein in 2 Liter Parfüm getränkt auf dem Rückweg vom 10 km entfernten Wochenmarkt – natürlich voll bepackt mit ihrem Wocheneinkauf. Sie schnorrt sich einen Kaffee bei euch und geht. Nur der Geruch bleibt. Hier sprechen wir von ca. 30 Olf (also doch die ostfriesische Landfrau) …
Nun stellt sich die Frage: Wie sollen wir in unserem hochmodernen Plusenergiehaus lüften? Es ist, wie gesagt, Sommer 30 °C und Sonnenschein. In Ostfriesland. Das heißt, aus verschiedenen Gründen wollen wir die Fenster jetzt nicht aufreißen:
- Der Landwirt von nebenan fährt Gülle aus.
- Aus dem Kuhstall dieses Landwirts bedrohen uns, unser Haus und unsere Lebensmittel ca. 6 Trilliarden Fliegen, welche nur darauf warten, dass wir ein Fenster öffnen.
- Unser modernes, toll gedämmtes Haus hat innen immer noch nur schlanke 21°C Raumtemperatur, weshalb wir uns nicht die warme Luft ins Haus holen wollen.
Fenster zu – Lüftung an
Moderne Lüftungsanlagen werden mit Wärmepumpen und Klimaanlagen kombiniert, sodass wir unser Haus Sommer wie Winter genau temperieren können. Der Mensch empfindet trockene, kühle Luft als frisch und angenehm. Wir müssen jedoch darauf achten, dass die Luft auch tatsächlich frisch ist und uns nicht durch ein bloßes Umwälzen und Herabkühlen eine gute Luftqualität vorgetäuscht wird.
Im Winter ist es ähnlich, denn da wollen wir nicht die teuer aufgeheizte Luft aus dem Gebäude lüften, sondern lediglich die verbrauchten und olfisierten Luftmassen auswechseln. Mit der Methode der Wärmerückgewinnung bleibt die Energie im Haus und nur die Feuchtigkeit und der Olf fliegen raus.
Des Weiteren verhält es sich bei warmer Luft so, dass der Mensch bei geringerer Luftfeuchte eine höhere Behaglichkeit empfindet und sich dadurch schon bei niedrigeren Raumtemperaturen ein höheres Wohlbefinden einstellt. Somit sparen wir bares Geld für Heizkosten und CO2 für Kyoto.
Apropos CO2
Der CO2-Gehalt in der Raumluft gibt Aufschluss über die Luftqualität im Raum. Dieser CO2-Gehalt wird gemessen in ppm (Parts per Million). In Schulen und Konferenzräumen funktioniert das auch ohne Messtechnik. Bekommen die Schüler oder Seminarteilnehmer Kopfschmerzen, werden blass und nicken ein, so liegt das meist nicht am zu langweiligen Lehrer oder Dozenten, sondern einfach an einem zu schlechten Lüftungskonzept und einer zu hohen CO2-Konzentration.
Hierzu sei gesagt, dass unsere „normale“ Außenluft eine CO2-Konzentration von ca. 400 ppm hat (kann wohnortabhängig schwanken – Peking hat bestimmt mehr). Bis zu 1.000 ppm ist noch in Ordnung und ohne Probleme zu vertreten. Bei 1.000 – 2.000 ppm sollte dringend gelüftet werden. Auch eine Lüftung mit Fenster und Türen wäre hier in Ordnung, besser wäre in diesem Fall jedoch ebenfalls eine Lüftungsanlage.
Zwischen 2.000 und 3.000 ppm sollte man eine Pause erwägen und lüften, was das Zeug hält. Eine Querlüftung bringt hierbei den schnellsten Erfolg. Über 3.000 ppm bedingen gesundheitliche Beeinträchtigungen, denn mit dem CO2-Gehalt steigt auch die Zahl der Keime und Krankheitserreger in der Luft an, und ein durch CO2 geschwächter Körper ist dann auch anfälliger für Krankheiten.
Grenzwerte am Arbeitsplatz
Im Kalibergbau liegen die Werte laut IPA und der Ruhruniversität Bochum bei ca. 5.000 ppm. Hier treten vereinzelt sogar Veränderungen im Blutbild der Probanden auf. Dennoch kommt es Untertage leider häufig zu Überschreitungen der MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration).
Da unsere Seminarteilnehmer oder Schüler und Lehrer oder Dozenten aber ja keine Kalibergleute sind und somit auch keine Schmutzzulagen o. Ä. bekommen, sollten wir hier eher die niedrigeren Werte als Ziel annehmen.
Zeit für Neues
An Schulen werden nun häufig Einzelraumlösungen mit CO2-Sensoren nachgerüstet. Diese können individueller geregelt und bei nicht belegten Räumen ganz ausgeschaltet werden (z. B. über Präsenzmelder).
Im Neubau von Einfamilienhäusern würde ich persönlich immer die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wählen. Die Abluft aus belasteten Räumen wie Küche, Bad, Sauna, WC etc. gibt ihre Wärme an die angesaugte Außenluft ab, welche dann als Zuluft ins Gebäude geführt wird. Bei Niedrigenergie oder Plusenergiehäusern würde ich diese Anlage mit einer Luft-Luft-Wärmepumpe kombinieren.
Nach so viel Lüftung und 30 °C am Schreibtisch ist bei mir nun die Luft raus und der Grill ruft. Ich grüße euch – jetzt auch mit mind. 40 Olf im T-Shirt und Holzkohle im Gesicht.
Euer Torsten
Der Autor
Torsten Seidel
ist gelernter Installateur und Heizungsbaumeister. Bis vor Kurzem hatte er einen eigenen Betrieb für Heizungsbau und Hausmeisterservice. Heute unterrichtet er hauptberuflich an einem Berufsbildungszentrum in Schleswig-Holstein als Fachpraxislehrer und bildet angehende Anlagenmechaniker SHK (Sanitär – Heizung – Klima) aus.