Verkehrssicherungspflichten

Damit niemand zu Schaden kommt

Text: Ralf Krepper | Foto (Header): © ronstik – stock.adobe.com

Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten ist nicht immer eindeutig und die rechtlichen Hintergründe sind für einen juristischen Laien nicht immer leicht zu verstehen. Der folgende Beitrag soll Klarheit schaffen.

Die Bedeutung der Verkehrssicherungspflichten hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Immer häufiger achten Gerichte auf deren Einhaltung. Bürger und jedwede Anspruchsteller sind zunehmend bereit, Ansprüche geltend zu machen, die in einem Schadenfall auf eine mögliche Verletzung dieser Pflichten zurückzuführen sind oder zunächst auf diese Vermutung gestützt werden.

Gesetzliche Grundlagen

Im Grundgesetz heißt es unter Artikel 14 ,,Eigentum verpflichtet.“ Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) besagt der Paragraf 823 ,,Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Diese beiden Gesetze stellen die Basis und § 823 BGB die Anspruchsgrundlage für die Verkehrssicherungspflicht dar.

Pflichten von Eigentümer und Betreiber
Eigentümer von Gebäuden müssen demzufolge Maßnahmen ergreifen, damit keine Gefahren für Dritte von ihrem Grundstück oder ihrer Immobilie ausgehen. Das schließt Besucher genauso ein wie Passanten oder Briefträger.

Der Betreiber eines Gebäudes muss darauf achten, dass dieses so beschaffen ist, dass niemand zu Schaden kommt. Er genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er diejenigen Vorkehrungen trifft, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um die Gefahr von Dritten abzuwenden.

Der Betreiber eines Gebäudes muss darauf achten, dass dieses so beschaffen ist, dass niemand zu Schaden kommt. Er genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn er diejenigen Vorkehrungen trifft, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um die Gefahr von Dritten abzuwenden.

Bestimmungen für Gebäude
Gebäude müssen ferner den baupolizeilichen Bestimmungen (z. B. Anbringung von Handläufen an Treppen) entsprechen. Die Einhaltung der Bauvorschriften alleine reicht jedoch nicht aus, um in jedem Fall verkehrssichere Verhältnisse zu schaffen. Vielmehr muss das Gebäude so gestaltet sein, dass der Personenkreis, für den der Verkehr im Gebäude eröffnet wurde, dieses sicher betreten kann.

So müssen sich beispielsweise alte oder behinderte Menschen ohne Gefahr in einem Gebäude bewegen können. Auf die Belange von Kleinkindern müssen Öffentliche Gebäude nur dann eingerichtet sein, wenn sie dafür errichtet wurden (z. B. Kindergärten oder Schulen) oder wenn dort in einem nennenswerten Umfang mit Kindern zu rechnen ist. Die Verkehrssicherungspflicht sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Betreiberpflichten

Ein Betreiber ist verpflichtet, sein Objekt in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und die nach den Umständen erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Eine erhöhte Gefahrneigung bei der Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen ergibt sich insbesondere aus einer mangelhaften organisatorischen oder technischen Vorbereitung, durch deaktivierte bzw. überbrückte Sicherheitsvorrichtungen, laufende Maschinen, mangelhafte bzw. fehlende Arbeitsanweisungen oder Arbeiten unter Zeitdruck.

Sowohl bei der Durchführung der Arbeiten durch eigenes Personal als auch hinsichtlich Drittunternehmen sollten der Betreiber und die von ihm beauftragten Personen daher auf eine straffe Organisation, klare Anweisungen sowie ausreichende zeitliche Vorgaben achten und deren Einhaltung regelmäßig überprüfen.

Einteilung der Betreiberpflichten
Die Pflichten, die dem Betreiber durch den Gesetzgeber auferlegt werden, lassen sich in die drei Kategorien Persönliche Pflichten, Unternehmerpflichten und spezielle Betreiberpflichten gliedern.

Persönliche Pflichten gehören zu den allgemeinen Pflichten. Diese betreffen natürliche Personen, zu denen beispielsweise die Unternehmensleitung, Führungskräfte, Beschäftigte etc. gehören. Zu den persönlichen Pflichten zählen v. a. Organisationspflichten, Führungspflichten und Durchführungspflichten.

Beispiel 1: Die Unternehmensleitung legt zur Erfüllung ihrer Organisationspflicht die Arbeitsabläufe fest, die Führungskräfte überwachen gemäß ihren Führungspflichten die Einhaltung der Arbeitsabläufe und die Beschäftigten halten die Arbeitsabläufe im Rahmen der Durchführungspflichten ein.

Beispiel 2: Die Unternehmensleitung wählt zur Erfüllung ihrer Organisationspflicht geeignete Arbeitsmittel aus, die Führungskräfte sorgen im Rahmen ihrer Führungspflichten dafür, dass diese bereitgestellt werden und die Beschäftigten benutzen diese Arbeitsmittel gemäß ihrer Durchführungspflichten.

Unternehmenspflichten lassen sich einteilen in Pflichten gegenüber den Beschäftigten, Pflichten gegenüber Dritten, Pflichten gegenüber den Behörden und Pflichten gegenüber der Umwelt.

Pflichten gegenüber den Beschäftigten könnten darin bestehen, dass Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten sind, dass keine Gefahr für Leben und Gesundheit ausgeht. Pflichten gegenüber Dritten sind beispielsweise der Schutz auf dem Gelände vor Behinderungen oder herunterfallenden Gegenständen.

Pflichten gegenüber den Behörden bestehen beispielsweise in Melde-, Mitteilungs- und Auskunftspflichten (z. B. bei Unfällen, bei denen Menschen verletzt wurden oder die unverzügliche Mitteilung bei Schadensfällen, bei denen Bauteile oder sicherheitstechnische Einrichtungen versagt haben oder beschädigt worden sind). Aber auch gegenüber der Umwelt gibt es Pflichten wie beispielsweise in den Bereichen Immissions-, Gewässer und Klimaschutz. Dazu gehören u. a. der Schutz vor Strahlen und Licht, Geräuschen, Abwasser und Abfall.

Kontrollpflichten an Gebäuden

Nachfolgend werden einige erforderliche Kontrollen mit Elementen und Gefahrenstellen exemplarisch dargestellt:

Gebäude außen
Eine Sicherheitsbegehung sollte immer erst einmal mit einem Rundgang um das Gebäude beginnen. Dabei ist auf die konstruktiven Elemente des Gebäudes zu achten und eventuell sich ablösende Teile (z. B. Dachziegel) – insbesondere im Hinblick auf die Gefährdungshaftung nach § 836 BGB.

Elemente/Gefahrenstellen sind dabei:

  • Dachdeckung
  • Dachentwässerung
  • Dacheinbauteile
  • Antennen, Mobilfunkanlagen, Schneefanggitter

Bei Holzkonstruktionen sollte das Augenmerk auf folgende Bereiche gelegt werden:

  • Dachbalken, Sparrenköpfe, Pfetten etc.
  • Traufbretter
  • Holzverkleidungen

Folgende Prüfungen/Kontrollen sollten hier durchgeführt werden:

  • Gibt es Wasser oder Feuchtigkeitsschäden?
  • Hängen die Dachflächen durch?
  • Tritt Holzmehl aus?
  • Wachsen Pilzfruchtkörper?
  • Sind die Holzverbindungen in Ordnung?

Bei Kaminen ist auf Folgendes zu achten:

  • Sind die Kamine standsicher oder weisen erkennbare Schäden (z. B. Abplatzungen, Risse etc.) auf?
  • Sind die Abgasrohre sicher befestigt und verankert?
  • Sind die Tritte und Wege zum Kamin sicher zu begehen?

Ggf. sollte immer ein Dachdecker oder Schornsteinfeger hinzugezogen werden.

Bei Kellerlichtschächten sollten die Kontrollen folgende Punkte umfassen:

  • Sind die Abdeckungen gegen ein unbefugtes Abheben gesichert?
  • Liegen die Abdeckungen trittsicher und fest auf?
  • Bilden die Kanten keine Stolperfallen?
  • Funktioniert die Außenbeleuchtung?

Bei Fassadeverkleidungen, Werbeträgern, Putz und Einbauteilen in der Fassade des Gebäudes sollte sich das Augenmerk auf folgende Punkte konzentrieren:

  • Sind die Fassadenverkleidungen gesichert und keine Platten oder Teile locker oder verrutscht?
  • Weist die Fassade keine Risse auf?
  • Sind die Befestigungen von Außenanlagen und Werbeträgern vollständig und nicht korrodiert?
  • Gibt es Vandalismusschäden?

Gebäude innen
Bei der Begehung von Gebäuden im Innenbereich spielt natürlich immer der Brandschutz eine große Rolle. Hierbei sollte das Augenmerk auf folgende Punkte gelegt werden:

  • Sind die Hydranten frei zugänglich?
  • Sind die Wartungen bei Trockenleitungen (Druckprüfungen alle 2 Jahre) durchgeführt worden? (monatliche Funktionsprüfung bei Nassleitungen)
  • Gibt es Sperrmüllablagerungen?
  • Sind die Notausgänge frei?

Hinsichtlich Treppengeländern, Handläufen und dem Fußbereich gelten folgende Kriterien:

  • Sind die Handläufe fest und in Ordnung?
  • Sind bei Treppen, die zur Rettung von Personen im Gefahrenfall dienen, die Handläufe durchgehend in Ordnung und frei von Gegenständen?
  • Sind die Fußbereiche in Ordnung? (keine lockeren Platten, herausstehende Unebenheiten etc.?)
  • Sind die Treppenkanten gut erkennbar?
  • Ist die Beleuchtung in Ordnung?

Bezüglich der Trinkwasserinstallation sind folgende Punkte zu kontrollieren:

  • Wurde die jährliche Inspektion des Trinkwassererwärmers (Reinigung und Entkalkung) durchgeführt?
  • Gibt es schadhafte Stellen an den Rohrverbindungen?
  • Spülen von abgeklemmten Leitungen (Legionellengefahr!)
  • Sind die Außenwasserhähne frostfrei? Gibt es schadhafte Stellen?

Spielplätze
Spielplätze, die sich in den Außenanlagen der Gebäude befinden, sind ebenfalls regelmäßig zu kontrollieren. Die Benutzung der auf dem Gelände befindlichen Spielplatzgeräte muss ohne Verletzungsgefahr möglich sein. Die Anlagen müssen zudem so beschaffen sein, dass auch bei einer bestimmungswidrigen und unsachgemäßen Nutzung kein Schaden eintritt. Ein Restrisiko ist allerdings in Kauf zu nehmen.

Weiterhin sind auch die Ausstattungen rund um die Spielanlagen auf Gefahrenquellen zu untersuchen. Das Gras sollte möglichst kurz gehalten werden, damit herumliegende Glassplitter erkannt werden können. Eine mindestens wöchentliche Visuelle Routine-Inspektion ist sinnvoll. Einmal im Monat ist eine Funktionskontrolle (Operative Inspektion) und einmal im Jahr eine ausgiebige Hauptinspektion der Geräte vorgeschrieben.

Bäume und Teiche
Die auf den Grundstücken vorhandenen Bäume müssen zweimal jährlich auf ihre Standsicherheit hin überprüft werden. Optimal sind Kontrollen jeweils im belaubten und unbelaubten Zustand. Bei hohen Bäumen ist auch das Dach regelmäßig dahingehend zu überprüfen, ob die Dachrinnen durch Laub verstopft werden. Gartenteiche müssen abgesichert und ggf. eingezäunt werden.

Dokumentation der Kontrollen

Schließlich ist auch für eine ordnungsgemäße Dokumentation der durchgeführten Kontrollen zu sorgen. So ist in Unterweisungsdokumenten festzuhalten, wie Tätigkeiten auszuführen sind oder in bestimmten Situationen zu handeln ist. In Nachweisdokumenten ist festzuhalten, dass die Verpflichtungen erfüllt wurden.

Der Betreiber eines Gebäudes ist dafür verantwortlich, dass die Unterweisungsdokumente vorhanden, vollständig und aktuell sind sowie am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Daneben ist er für die Erhaltung dieses Zustands verantwortlich und dafür, dass die Nachweisdokumente erstellt und ordnungsgemäß aufbewahrt werden.

Hinweis

Die zeitnahe und umfassende Dokumentation aller Tätigkeiten dient nicht nur der Vermeidung der Haftung durch die Mög­lichkeit, den Nachweis zu erbringen, dass notwendige Aufgaben erfüllt und Überwachungen vorgenommen wurden, sondern bei entsprechender Auswertung auch dazu, Schwachstellen der Verwaltung oder des Objekts zu offenbaren, bevor größere Schäden sichtbar werden bzw. eintreten.

Delegation der Dokumentationspflichten
Die Wahrnehmung dieser Dokumenta-tionspflichten wird typischerweise auf den Hausmeister delegiert, wobei eine restlose Befreiung des Delegierenden von jeglicher Verantwortung nicht möglich ist, denn es bestehen immer sog. Kontroll- und Überwachungspflichten. Eine wirksame Delegation bietet jdoch die Möglichkeit der eigenen Schuldbefreiung im Falle eines Schadenseintritts.

Eine wirksame Delegation muss allerdings zwingend diese fünf Voraussetzungen erfüllen:

  • Klare Definition und Abgrenzung des Inhalts und Umfangs der übertragenen Pflichten (durch Anweisung oder Vertrag) sowie deren Dokumentation.
  • Sorgfältige Auswahl des Delegationsempfängers und deren Dokumenta-tion.
  • Ausstattung des Delegationsempfängers mit allen erforderlichen Mitteln und Kompetenzen.
  • An-/Ein- und Unterweisung des Delegationsempfängers (einschließlich Dokumentation).
  • Laufende Überwachung des Delegationsempfängers.

Trotz Delegation verbleibt die Aufsichtspflicht zwingend beim Delegierenden. Selbst wenn der Delegationsempfänger eine eigene Aufsicht gewährleistet, hat der Delegierende für eine ordnungsgemäße Oberaufsicht zu sorgen.

Versicherungsschutz

Für die Wahrnehmung der Pflichten aus der Gebäudebewirtschaftung besteht i. d. R. Versicherungsschutz über die Betriebshaftpflichtversicherung des Gebäudeeigentümers oder -betreibers. In der Regel sind dort auch alle handelnden Personen in den Versicherungsschutz eingeschlossen. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigten des Versicherungsnehmers und teilweise auch für Personen, die im Auftrag des Versicherungsnehmers tätig werden – beispielsweise dann, wenn sich der Gebäudeeigentümer deren Handeln zurechnen lassen muss (sog. Erfüllungsgehilfenhaftung).

Hinweis

Die Haftpflichtversicherung bietet nur bei zivilrechtlichen Ansprüchen einen Schutz. In Schadenfällen mit hohen Personenschäden kommt es jedoch regelmäßig vor, dass auch nach einer strafrechtlichen Verantwortung gesucht wird. Hierbei bietet die Haftpflichtversicherung keinen Schutz. Strafrechtliche Ansprüche können allenfalls im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung abgefangen werden und auch hier nur hinsichtlich etwaiger Kosten der Rechtsverteidigung oder Gerichtskosten.

Der Autor

Ralf Krepper ist seit fast 24 Jahren beim Badischen Gemeinde-Versicherungs-Verband tätig. Davon seit über 10 Jahren als leitender Handlungsbe-vollmächtigter für den Bereich Städte, Gemeinden, Landkreise und kommunale Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind das kommunale Haftungsrecht, die Ver-kehrssicherungspflichten und kommunale Risikoabsicherung.

2019-11

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