Blitzschutz

Potzblitz und Donnerwetter

Text: Dipl.-Ing. Frieder Fischer | Foto (Header): © Sergey Nivens – stock.adobe.com

Viele öffentliche und auch private Gebäude haben eine Blitzschutzanlage. Trotzdem kann es bei Blitzschlag lebensgefährlich sein, wenn man sich an der falschen Stelle aufhält. Wir erläutern die Problematik von Schritt- und Berührungsspannungen.

Auszug aus:

DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe August 2020
Jetzt Leser werden

Blitzdaten, Blitzschäden und Wahrscheinlichkeiten

Mehrere Millionen Volt, Ströme bis 200 kA und Temperaturen bis 30.000 Kelvin haben bis heute ihren Schrecken nicht verloren. In nur 0,07 Sekunden werden beim Blitzschlag durchschnittlich über 20 kWh Energie umgesetzt.[1] Das entspricht ca. einem Prozent des Jahresstromverbrauchs einer vierköpfigen Familie – in Bruchteilen einer Sekunde.

Dementsprechend sind die Folgen: Brände, Überspannungen, Schreck, Blendung und Personenschäden bis zum Tod sind möglich. Besonders Gebäude und freistehende Bäume sind durch Blitzschlag gefährdet. Outdoor-Aktivitäten wie Fußball, Golf, Felsklettern, aber auch Campen, Radfahren und Schwimmen sind bei Gewitter gefährlich. Noch immer
haben wir die Tragödie von 2012 in Erinnerung, als auf einem Golfplatz drei Menschen an den Folgen eines Blitzschlages starben.[2] Auch in den Alpen kommen immer wieder Personen durch Blitze zu Schaden; als besonders gefährlich gelten Klettersteige.[3] Oft unterschätzt wird die Gefahr, bei Großveranstaltungen im Freien durch Blitzschlag verletzt zu werden: Es gab z. B. 2016 bei Rock am Ring 73 Verletzte infolge von Blitzschlag.[4]

Diese Zahlen und Fakten zeigen ein dramatisches Bild. Tatsächlich erleiden in Deutschland im Durchschnitt vier Personen pro Jahr einen tödlichen Unfall durch Blitzeinwirkungen. Das entspricht bei ca. 80 Mio. Einwohnern einer Wahrscheinlichkeit von 1:20 Mio. Die Wahrscheinlichkeit für Sechs Richtige beim Gewinnspiel 6 aus 49 beträgt etwa 1:14 Mio.[5] Es ist also wahrscheinlicher, einen Hauptgewinn zu erzielen, als vom Blitz tödlich getroffen zu werden. Dass das so ist, ist auch auf die vielen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Blitzschutz zurückzuführen.

Vorschriften und Normen

Historisch entstand Blitzschutz als Teil des Brandschutzes. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Baurecht (§ 14 Brandschutz-MBO).[6] § 46 MBO legt fest, dass Blitzschutzanlagen erforderlich sind, wenn Blitzschlag leicht eintreten oder schwere Folgen haben kann. Beide Anforderungen wurden in alle Landesbauordnungen übernommen.

Konkrete Anforderungen finden sich in den Sonderbau-Richtlinien. So bestimmt z. B. die MSchulBauR,[7] dass Schulen Blitzschutzanlagen haben müssen. Die Richtlinie wird von den Baubehörden z. T. auch sinngemäß für Kindertageseinrichtungen berücksichtigt. Die Forderung nach Blitzschutz kann sich ebenso aus der Betriebssicherheitsverordnung[8] ergeben, z. B. bei Explosionsgefahr.

Wird baurechtlich keine Forderung nach Blitzschutzmaßnahmen gestellt, sollte eine Gefährdungsbeurteilung nach DIN EN 62305-2[9] erfolgen. Die Forderung nach Blitzschutz kann auch von der Schadensversicherung aufgestellt werden. VdS[10] 2010[11] empfiehlt z. B. für Kindergärten die Blitzschutzklasse III einschließlich Überspannungsschutz und Potenzialsteuerung.

Technischer Blitzschutz

Zum Blitzschutz gehören nicht nur die außen an Gebäuden sichtbaren Teile – der äußere Blitzschutz. Durch die moderne Informationstechnik befinden sich in baulichen Anlagen immer mehr elektronische Bauelemente, die vor Überspannungen geschützt werden müssen – durch den inneren Blitzschutz.

Aufgrund der Komplexität sprechen wir von Blitzschutzsystemen. Sie sollen Gebäude, andere bauliche Anlagen und die darin befindlichen Personen und Sachwerte vor Schäden infolge von Blitzeinwirkung schützen. Eine Übersicht, wie das funktioniert, gibt das Bild links.

Der äußere Blitzschutz besteht aus

  • den Fangeinrichtungen,
  • den Ableitungen und
  • der Erdungsanlage.

Der innere Blitzschutz wird v. a. durch den Blitzschutzpotenzialausgleich realisiert. Zusätzlich zum Potenzialausgleich der leitfähigen Elemente im Gebäude werden durch den Blitzschutzpotenzialausgleich für die Dauer des Blitzschlags auch alle Energie- und Informationsleitungen über Blitzstromableiter mit dem Potenzialausgleich verbunden und so gefährliche Funkenbildung vermieden.

Der Trennungsabstand gibt an, wie weit andere metallische Systeme mind. von Blitzstrom führenden Bauteilen entfernt sein müssen, damit kein Blitzüberschlag stattfinden kann. Er ist abhängig von der Entfernung zum Punkt des Blitzschutzpotenzialausgleichs, also meist im Dachgeschoss am größten.

Die Blitzschutzklasse gibt an, in welchem Maße eine bauliche Anlage gegen Blitze schützt. Sie wird in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt. Es gibt vier Blitzschutzklassen, wobei Klasse I das höchste Schutzniveau bietet.

Weitere Gefährdungen

Absolute Sicherheit gibt es nicht – auch nicht im Blitzschutz! Mit der gewählten Blitzschutzklasse wird ein bestimmtes Sicherheitslevel erreicht. Im Laufe der Nutzung muss darauf geachtet werden, dass dieses Level gehalten wird. Dazu dienen visuelle Kontrollen z. B. durch den Hausmeister und regelmäßige Prüfungen durch eine Blitzschutzfachkraft. Unter Umständen sind darüber hinaus weitere Gefährdungen zu berücksichtigen. Dazu gehört besonders das Vermeiden unzulässiger Schritt- und Berührungsspannungen.

Berührungsspannung
Wird ein Blitzstrom führender Leiter im Moment des Blitzschlages berührt, so kann ein Teilblitzstrom über die Person fließen, die das Teil berührt. Die dabei von der Berührungsstelle zur Erde auftretende Spannung wird als Berührungsspannung bezeichnet. Diese Situation muss unbedingt vermieden werden, da Lebensgefahr besteht.

Das Problem besteht in der Praxis vor allem an Stellen, an denen damit zu rechnen ist, dass sich Personen bei Gewitter unterstellen und an denen sich Blitzstrom führende Bauteile befinden. Das kann z. B. auf Eingangsbereiche öffentlicher Gebäude zutreffen, wo berührbare Ableitungen vorhanden sind. Gefährdungen durch Berührungsspannungen können vermieden werden durch

  • räumliches Verlegen der Ableitungen
  • Isolieren der Ableitungen
  • Absperren gefährdeter Bereiche
  • Anbringen von Hinweisschildern
  • Erhöhen des Übergangswiderstandes der oberen Bodenschicht

Ein Verlegen der Ableitungen greift sehr stark in eine vorhandene Blitzschutzanlage ein und ist nicht ohne weiteres möglich. Auch das Absperren von Eingangsbereichen ist nicht praktikabel. Schilder werden oft ungenügend beachtet und sind deshalb nicht zu empfehlen.

Am wirksamsten ist es, die Leitung im möglichen Berührungsbereich bis zu 3 m über der Standfläche mit einer hochspannungsfesten Isolation auszuführen. Die Länge ergibt sich aus der Reichweite von 2,5 m nach oben zzgl. 0,5 m pauschalem Trennungsabstand. Solche als CUI-Leitung[13] bezeichneten Bauelemente sind vorkonfektioniert erhältlich. Die schirmartige Konstruktion bietet Schutz gegen Gleitentladungen.

Schrittspannung
Beim Eintritt eines Blitzes in die Erde baut sich die Erdungsspannung in alle Richtungen räumlich ab. Aufgrund der Form des Potenzialverlaufs spricht man vom Potenzialtrichter. Wenn eine Person mit jedem Fuß auf einem anderen Potenzial steht, verursacht die Potenzialdifferenz einen Körperstrom. Man bezeichnet diese Potenzialdifferenz als Schrittspannung. Als max. zulässige Schrittspannung werden üblicherweise 25 kV/m angenommen.

Viele Situationen, in denen Berührungsspannung ein Problem sein kann, beinhalten auch Gefährdungen durch Schrittspannungen. Sie lassen sich reduzieren

  • indem gefährdete Bereiche für Personen abgesperrt werden,
  • durch zusätzliche in der Tiefe gestufte Erder (Potenzialsteuerung),
  • indem die Standfläche auf einheitliches Potenzial gelegt wird oder
  • durch Erhöhen des Übergangswiderstandes der oberen Bodenschicht.

Da Schrittspannungen nur dort ein Problem darstellen, wo sich auch Personen  aufhalten, ist Absperren meist keine Lösung, denn Ausgänge von Gebäuden sind i. d. R. auch Rettungswege und dürfen nicht abgesperrt werden.

Durch eine Potenzialsteuerung kann entweder eine Fläche, z. B. ein überdachter Eingangsbereich, auf gleiches Potenzial gelegt werden oder um einen Erder herum das Potenzial durch zusätzlich Erderringe allmählich abgebaut werden. Im ersten Fall sind nur geringe Erdarbeiten nötig. Am Rande der Äquipotenzialfläche (Fläche gleichen Potenzials) kann aber weiterhin eine Potenzialdifferenz zur Umgebung bestehen. Der zweite Fall erfordert umfangreiche Tiefbauarbeiten zur Verlegung von vier zusätzlichen Erderringen bis in 10 m Entfernung zum Erder und bis in 2 m Tiefe.

In der Regel ist es am einfachsten, den Standort zu isolieren. In der Praxis hat sich eine mind. 5 cm dicke Schicht Asphalt im Umkreis von mind. drei Metern um die Ableitung bewährt.[14] Gehwegplatten oder Pflaster mit Kiesunterbau gelten nach neuesten Erkenntnissen nicht mehr als isolierend.[15]

Praxisprobleme

Wenn Blitzschutzsysteme von Fachleuten geplant, durch Blitzschutzfachkräfte errichtet und von diesen regelmäßig geprüft werden, sind bzw. bleiben sie auch wirksam. Problematisch kann es werden, wenn Veränderungen an der Blitzschutzanlage getroffen werden. Damit sind nicht nur offensichtliche Schäden an den Ableitungen gemeint, die leicht erkannt und beseitigt werden können. Von Laien, auch von Elektrofachkräften, wird oft nicht erkannt, dass der Trennungsabstand nicht beachtet wurde, wenn technische Anlagen erweitert werden. Hier kommen besonders Lüftungsanlagen, Abgasanlagen, Elektroanlagen, Videokameras, Außenleuchten u. Ä. in Frage.

Wenn der Trennungsabstand nicht eingehalten wurde, kann das Teilblitzströme in die bauliche Anlage einkoppeln und dort zu schweren Schäden, auch Personenschäden, führen. An Bauteilen für den äußeren Blitzschutz werden gern Lichterketten, Verlängerungsleitungen u. Ä. angebracht. Auch dadurch können Blitzströme in das Gebäude eingekoppelt werden. In so einem Fall werden alle technischen Maßnahmen zum Überspannungsschutz ausgehebelt und der Blitzstrom kann im Gebäude seine zerstörerische Wirkung entfalten.

Fazit

Die Wahrscheinlichkeit, durch Blitzeinwirkungen das Leben zu verlieren, ist Dank vieler bereits errichteter Blitzschutzsysteme sehr gering. Blitzschutzsysteme richtig zu planen, zu errichten und instand zu halten ist kompliziert und ein Privileg der Blitzschutzfachkräfte. Damit die Wirksamkeit der Blitzschutzmaßnahmen erhalten bleibt, können Hausmeister darauf achten, dass keinerlei Veränderungen erfolgen, durch die leitfähige Systeme zeitweilig oder dauerhaft innerhalb des Trennungsabstandes errichtet werden.

Wenn das Problem von Schritt- und Berührungsspannungen besteht, können sie dazu beitragen, dass dieses Problem erst einmal erkannt und eine wirksame Lösung gefunden wird. Weitere Informationen zu Blitzschutz und Blitzforschung für Fachleute und Laien finden sich unter www.vor-blitzen-schuetzen.eu/de.

 

Quellen:

[1] www.wissen.de/irrtum-der-technikgewitter
[2] www.hna.de/lokales/korbach-waldeck/blitzeinschlag-toetetdrei-frauenwaldecker-golfplatz-2371745.html
[3] https://apps.derstandard.de/privacywall/story/2000108019463/deutscher-bergsteiger-von-blitzgetroffen-und-getoetet
[4] www.vde.com/de/blitzschutz/arbeitsgebiete/faq/rar2016
[5] www.vde.com/de/blitzschutz/arbeitsgebiete/faq/wahrscheinlichkeit-tod
[6] MBO – Musterbauordnung vom November 2002 in der Fassung vom 22.02.2019
[7] MSchulbauR – Muster-Schulbau-Richtlinie, Muster-Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an Schulen
[8] Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV)
[9] DIN EN 62305-2:2013-02; VDE 0185-305-2:2013-02, VDE 0185-305-2:2013-02 Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management
[10] VdS Schadenverhütung GmbH, ursprünglich Verband der Sachversicherer
[11] VdS 2010:2015-04 Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz
[12] Nach DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1) Tabelle 5
[13] CUI-Leitung: Herstellerbezeichnung für Kupfer (Cu) und Isolation
[14] DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3)
[15] www.vde.com/de/blitzschutz/infos/schutzhuetten

Der Autor

Frieder Fischer, Dipl.-Ing., ist Sicherheitsingenieur, Technischer Aufsichtsbeamter/Aufsichtsperson, Fachbereichsleiter der Unfallkasse Sachsen i. R., anerkannter Ausbilder und Prüfer nach DIN 79161-2 und in der Normung aktiv. Zudem ist er Dozent für Spielplatz-, Kinder- und Elektrosicherheit.

JETZT ABONNENT WERDEN UND KEINE AUSGABE VERPASSEN:

Der Hausmeister

Die Fachzeitschrift für den Hausmeister